Diskriminierung und Sprache

Sprache ist überall, in Interviews, Werbeslogans, auf Kleidung, Bannern und in Fanforen. Sie kann gesprochen, geschrieben, gedruckt und gebärdet werden. Sie hat zwei Seiten: einerseits bildet Sprache unsere gesellschaftliche Wirklichkeit ab. Andererseits prägt die Art und Weise, wie über etwas gesprochen wird, auch unseren Blick auf die Realität.

Sprache kann Menschen verbinden. Mit Sprache können Menschen gegen Diskriminierung protestieren. Sie kann aber auch verletzen, ausgrenzen und stigmatisieren. Sprache kann selbst dann diskriminieren, wenn sie zum falschen Zeitpunkt schweigt.

Sprache schließt also ein oder aus. „Einfache“, mal bewusst, mal unbewusst gewählte Worte können Ungleichbehandlung und Benachteiligung schaffen.

Anders ausgedrückt: Sprache kann diskriminieren.

PfeilWas ist eine Diskriminierung?

Eine Diskriminierung liegt vor, wenn ein Mensch aufgrund eines oder mehrerer, sogenannter schützenswerter Merkmale – ohne sachlichen Grund – abgewertet, ausgegrenzt oder anderweitig benachteiligt wird (vgl. Allgemeines Gleichstellungsgesetz – AGG).

Diese schützenswerten Merkmale, auch Kerndimensionen von Vielfalt genannt, sind kaum oder nicht veränderbare Teile der Persönlichkeit. Dazu gehören die ethnische Herkunft, Religion, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, das Alter oder die Behinderung. Aktuell wird diskutiert, soziale Herkunft ebenfalls in diese Liste aufzunehmen, weshalb sie auf dieser Seite mit behandelt wird.

Entscheidend ist dabei nicht die Absicht hinter einer diskriminierenden Äußerung, Handlung oder Vorschrift, sondern deren tatsächliche Wirkung auf die Betroffenen.

Diskriminierungen treten oft auch gemeinsam auf und vermischen sich. So sind rassistische Meinungen über die Einwanderer*innen aus der Türkei oft mit Stereotypen über Bildung und somit sozialem Status verbunden. Auch erfahren z.B. homosexuelle Frauen mit Behinderung oft mehrfache Diskriminierungen.

Studien belegen, dass Menschen, die regelmäßig diskriminierender Sprache ausgesetzt sind, psychische und sogar körperliche Beeinträchtigungen davontragen (vgl. ZEMIGRA, 2019). Wertschätzende Sprache und (sprachliche wie bildliche) Sichtbarkeit hingegen stützen im Allgemeinen ein positives Selbstbild.
Ebenfalls wissenschaftlich nachgewiesen ist die Tatsache, dass Sprache schon bei Kindern die Wahrnehmung beeinflusst. Was gilt als „normal“, „typisch männlich“ oder „typisch weiblich“? Dies hat sogar Einfluss darauf, welche Berufsbilder sich Kinder jeweils zutrauen (vgl. Vervecken/Hannover, 2015).
In der Wissenschaft wird für Mehrfachdiskriminierungen der Begriff „Intersektionalität“ benutzt – Diskriminierungen überkreuzen und verstärken sich negativ.

PfeilBeleidigung und Diskriminierung – ein Unterschied!

Um zwischen einer Beleidigung und einer Diskriminierung zu unterscheiden, ist der herabwürdigende Zusammenhang einer Handlung, Vorschrift, Darstellung oder Äußerung ausschlaggebend.

DENN: es gibt viele Menschen, die mehr gesellschaftliche Macht und Möglichkeiten haben als andere. Sie sind privilegiert. Zum Beispiel, weil sie weiß, heterosexuell, christlich, männlich und/oder vermögend sind. Entscheidend ist, dass sie mit diesen Merkmalen eine allgemein akzeptierte gesellschaftliche Norm erfüllen. Aus dieser privilegierten Position heraus können Menschen andere Menschen diskriminieren, weil diese die vorherrschende Norm nicht oder nur teilweise erfüllen und damit „anders“ sind: zum Beispiel aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Alters, ihrer Behinderung oder ihres sozialen Status.

Diese Hierarchien greifen auch im Fußball: beispielsweise Männer können Frauen und weiße Menschen Schwarze Menschen aufgrund der genannten Merkmale (wie hier: Geschlecht oder Hautfarbe) diskriminieren. Nach Rechts- und Verfahrensordnung (RuVO) des DFB wäre eine solche Diskriminierung – ob verursacht durch Spieler*innen, Offizielle oder Fans – nach §9 Nr. 2 Absatz 1 zu sanktionieren.

Der umgekehrte Fall, also ein (verbaler) Angriff einer gesellschaftlich benachteiligten Person auf eine privilegierte aufgrund ihrer Merkmale, wäre eher als Beleidigung oder, in systematischer Form, als Mobbing zu werten (vgl. Anne Frank Zentrum, 2019). Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn eine behinderte Person eine nicht-behinderte aufgrund ihrer Fähigkeiten beschimpfen würde, oder eine homosexuelle Person eine heterosexuelle Person aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Im Fußball und der RuVO des DFB kann eine solche Handlung aber genauso zu Sanktionen führen und als provokative Beleidigung nach §9 Nr. 1 eingestuft werden.

DiskriminierungBeleidigung
„Schiri, du schwule Sau“„Du Scheiß Heten-Schiri“
„Der Penner“„Der reiche Sack“
„Der dribbelt wie ein Schwarzer“„Der dribbelt wie ein Alman“
„Frauen an den Herd“„Männer sind Schweine“
„Der Spieler ist ein Spasti“„Der Spieler ist ein Arschloch“
„Die Fans sind alle Mongos“„Die Fans sind alle Scheiß-Bildungsbürger“

Info
WICHTIG: auch privilegierte Menschen können mit diskriminierenden Äußerungen beschimpft werden.

Wird ein reicher, weißer Vereinsoffizieller beispielsweise als „Sohn einer Hure” verunglimpft, wäre das als Diskriminierung zu sanktionieren.

DENN: die Äußerung diskriminiert zwar nicht den privilegierten, reichen Vereinsfunktionär selbst, sondern wird gegen ihn als Beleidigung genutzt. Gleichzeitig aber beinhaltet die Aussage eine allgemeine Abwertung von Frauen in der Sexarbeit und ihrer Kinder und ist damit diskriminierend.

Pfeil„Aber der nennt sich doch selber so!“ Selbstbezeichnungen und Diskriminierung – ein Unterschied!

Diskriminierende Begriffe wie „Bitch“, „Kanaken“ oder auch „Krüppel“ werden manchmal von den so Benannten als Selbstbezeichnung genutzt: Sie wollen das abwertende Wort offensiv, manchmal stolz neu besetzen und ihm so seine negative Zuschreibung nehmen. Als Fremdbezeichnung sind diese Begriffe abwertend und diskriminierend – und die meisten Benannten nehmen sie in diesem Sinne wahr!

Deshalb: Vertreter*innen von Fußballclubs oder auch Fanorganisationen haben eine öffentlichkeitswirksame Rolle und sollten potenziell diskriminierende Begriffe grundsätzlich vermeiden.

PfeilFrag’ die Community!

Grundsätzlich ist es empfehlenswert, bei Unsicherheiten die Menschen aus den fraglichen Personengruppen vor Ort selbst nach der gewünschten Bezeichnung zu fragen und diese im direkten Kontakt zu respektieren. Die „Freigabe“ eines umstrittenen Begriffs durch eine einzelne betroffene Person sollte aber nicht als Garantie missverstanden werden, diese Bezeichnung ab sofort in jedem Kontext verwenden zu können.

In öffentlicher Kommunikation, z.B. auf der Webseite, im Fanzine oder in Interviews oder auch in Mitgliederkommunikation ist es immer ratsam, sich an offiziellen Quellen zu diskriminierungssensibler Sprache wie SprachKick zu orientieren. Wer weiterlesen möchte, wird in den hier zitierten Quellen fündig. Diese wurden in aller Regel in Zusammenarbeit mit oder direkt von Interessenorganisationen der Personengruppen erstellt. Bei Kritik lässt sich darauf verweisen.

PfeilDiskriminierung in Laut- und Schriftsprache

In unserer gesprochenen und geschriebenen Alltagssprache lassen sich fünf Ebenen von Diskriminierung unterscheiden:

1. Worte, Laute und Begriffe: Namen und Begriffe, die Geringschätzung ausdrücken – „N****“, „Zig*****“, „Schlampe“, „Hurensöhne“, „Asoziale“, „Spacko“, „Psycho“, „Mischling“ – aber auch die absichtliche falsche Aussprache von Namen oder sog. Urwaldgeräusche im Stadion

2. Zuschreibungen von stereotypen und vorurteilsbehafteten Eigenschaften: „alle Fußballerinnen sind lesbisch“, „temperamentvolle Südeuropäer“, „hilfsbedürftiger Behinderter“

3. Redewendungen, Sätze – Phrasen oder verallgemeinernde Aussagen, die bestimmte Personengruppen (ungefragt) auf Merkmale oder Verhaltensweisen reduzieren: Z. B. „an den Rollstuhl gefesselt“, „die hat doch ihre Tage“

4. Perspektive auf den Sachverhalt / „Agenda-Setting“ – die Perspektive, aus der mit / über eine Personengruppe oder ein Merkmal gesprochen wird, wertet diese(s) kollektiv ab oder stellt sie (es) als negativ dar: „Spielerfrau“, „Überfremdung der westlichen Welt“, „Flüchtlingswelle“, „Überalterung der Gesellschaft“ – aber auch ein herabsetzendes Duzen, z. B. bei der Ansprache unbekannter, meist nicht-weißer Menschen

5. Diskriminierung aufgrund von Sprache: das Ausgrenzen oder Herabwürdigen aufgrund von sprachlichen Eigenheiten und Besonderheiten offizieller oder inoffizieller Sprachminderheiten, z.B. der nordfriesisch-sprachigen oder sächsischen Bevölkerung.

Pfeil Diskriminierung in Bildsprache  

Inhalte von Bildern werden sehr viel schneller wahrgenommen als schriftliche oder sprachliche. Bilder sprechen uns emotional an, weshalb wir sie meist besser erinnern als bspw. Informationen in Textform – besonders dann, wenn Menschen dargestellt werden. Nicht immer ist uns das bewusst.  

Für eine vielfaltssensible Bildsprache empfiehlt sich daher: 

  1. auf gleichwertige Repräsentation zu achten = regelmäßig und unabhängig vom Kontext Menschen unterschiedlichen Geschlechts, sexueller Orientierung, ethnischer und sozialer Herkunft, Alters und mit und ohne Behinderungen darzustellen.  
  1. reduzierende Bebilderung zu vermeiden = Menschen nicht-weißer Hautfarbe sollten nicht nur im Kontext internationaler Entwicklung oder von Anti-Rassismus-Initiativen, Frauen nicht nur in Bezug auf Kinderbetreuung und Frauenfußball und Menschen mit Behinderung nicht nur im Zusammenhang mit Initiativen zur Barrierefreiheit gezeigt werden. Denn damit werden sie auf ein Thema reduziert. 
  1. stereotype Darstellungen aufzubrechen = Positionierungen im Bild, in Zeichnungen, Grafiken oder im Video können auf Bedeutung hinweisen – steht eine Person vor allem am Rand oder in der Mitte, vorne oder hinten im Bild? Verhält sie sich aktiv oder passiv? Wird sie vor allem als selbstbewusst oder hilfsbedürftig dargestellt? Entspricht das dem Klischee oder traditionellen Bild der Personengruppe in der Gesellschaft? Falls ja, sollte das – wo möglich – vermieden werden. 
  1. auf authentische Darstellungen zu achten = insb. auf Fotos echte Menschen aus den fraglichen Personengruppen abzubilden. Beispiel: keine nicht-behinderten Menschen für ein Bild in einen Rollstuhl setzen oder nur „den Rollstuhl“ als Behinderung abbilden – es gibt viele verschiedene Behinderungen! 
  1. Gemeinsamkeiten zu betonen = auf gleichberechtigte Darstellung verschiedenster Personenkreise zu achten, gemeinsame Aktivitäten darzustellen. Unterschiede sollten nicht künstlich hervorgehoben werden. Vermeintliche Defizite oder Hilfsmittel wie Gehhilfen o.ä. sollten nur im Vordergrund stehen, wenn sie für die Bildaussage unverzichtbar sind. 
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